Montag, 13. Februar 2012

Mapambano yanaendelea: Der Kampf geht weiter

Die Hitze ergießt sich über mich wie klebriges Öl, der Wind fegt mir Staub in die Augen. Nachdem frühmorgens die gebrauchten Schuhe auf dem Markt ausgewählt und anschließend am Treffpunkt, dem Maskani „verhext“, also geputzt und gewienert wurden, tragen PD. und S. in der Mittagshitze ihre „Steine“ durch die chaotischen Straßen Daressalams. Mit einem zerfledderten Notizblock, einem Kugelschreiber und einem Bauchladen dummer Fragen bewaffnet hechle ich ihnen hinterher.

„Machst Du noch diese Forschung?“ fragten mich die Jungs an der Straßenecke, als ich vergangene Woche wieder in Dar ankam. So normal scheint meine Präsenz schon geworden zu sein, dass es für sie auch vollkommen OK wäre, wenn ich aus reinem Spaß an der Freude mit ihnen abhängen und Sprüche klopfen wollte. Ja, Tatsache: Ich bin wieder auf Feldforschung. Das allzu beschauliche Konstanz, mein Büro in der Fachgruppe Soziologie an der Uni sowie die Couch in meiner WG habe ich eingetauscht gegen überfüllte Minibusse, durchgeschwitzte Hemden, Hitzepickel und einseitige Ernährung, die vielen hundert Seiten Lektüre jede Woche gegen Blasen an den Füßen und die Studenten meines Seminars gegen diese Truppe Straßenhändler, die am Rande des Existenzminimums das Zentrum der Millionenmetropole am indischen Ozean abgrasen.

In der Stadt sprechen mich auf Schritt und Tritt Leute mit Namen an, fragen, wie der Schuhhandel läuft, oder tuscheln an den Ecken über mich, dass ich nicht nur ein „mzungu machinga“, ein weißer Straßenhändler sei, sondern außerdem eigentlich Muyao, also Angehöriger eines Stammes der Region Masasi im Süden Tansanias. Woher sie meinen Namen wissen ist mir meist unklar, die tribale Zuordnung kann ich gerade noch verstehen: Schließlich sind die meisten meiner Freunde am Maskani Wayao, und von ihnen habe ich den einen oder anderen Brocken ihrer Stammessprache Kiyao gelernt.

Wie wird aus dem Gekrakel eine Dissertation?
Drei Monate Feldforschung stehen bevor. Unzählige Kilometer werde ich zu Fuß zurücklegen , mal im intensiven Gespräch mit einem meiner Freunde, mal im einvernehmenden Schweigen, im hypnotisch-wortlosen Dialog zwischen Fußsohlen und Asphalt. Die Suppe, die da im „Feld“ gekocht wird, werde ich wieder versuchen mit einer Gabel auszulöffeln, um zumindest einen Geschmack davon zu bekommen, wie es sich anfühlen muss, wenn man nur diese eine Welt kennt, in der man an Brechdurchfall stirbt und in der 7 Euro für Schulbücher über Lebensperspektiven entscheiden. Die Offenheit meiner Gastgeber ist noch größer als im vergangenen Jahr. Ich freue mich über die herzlichen Gesichter, die lässigen Posen der Straßenjungs, die Fragen nach meiner Familie, wie es mir in Deutschland erging, und ob mein „Boss“ mit meiner bisherigen Arbeit zufrieden war.

Heute also drehe ich die ersten Runden mit PD. und S., und lerne neue Straßenecken, Slang-Wörter, Verkaufsstrategien kennen. Wir schleifen nur winzige Schatten mit uns über die Straße, die Sonne steht fast senkrecht im Zenit. Mir wird leicht schwindelig und ich drifte im Geist immer wieder ab. Was für einen Lebenswandel ich doch durchmache: Vom Berufs-Klugscheisser zum Straßenjungen. PD. und S. marschieren mit spartanischer Sturheit durch die glühende Hitze, pausieren nicht einmal für einen Schluck Wasser. Wie zäh diese Typen wirklich sind, kann ich nur erahnen. Ich selbst fühle mich nach diesem ersten Tag wie frittiert, und ich bin froh, dass ich zuhause nicht unregelmäßig Ausdauersport gemacht habe. Am Ende vom Tag sehe ich meinen Notizblock durch frage mich, wie aus diesem Gekrakel jemals diese Dissertation werden soll, von der immer alle reden.

Neues von der Strassenecke.

Feldtagebuch von Alexis Malefakis... und was sonst noch so ist.

karibu!

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