Freitag, 6. Mai 2011

Mach deine Arbeit, Alexi!

„Und was kosten die hier?“, fragt die eine der beiden jungen Frauen, die vor den rund zwanzig Paaren Schuhen auf dem Gehsteig stehen geblieben sind. K., der eben noch fachmännisch den einen oder anderen Schuh vom Boden hangelte und den Kundinnen baumelnd vor die Nase hielt, zuckt die Schultern. „Das müsst ihr Alexi fragen, das sind seine“. Ich springe auf, mein Auftritt. „15.000 Shilling,“ sage ich. Verdutzt gucken die beiden mich an. „Wem gehören die Schuhe, wer verkauft sie hier?“ erwidert die eine. Ich bekräftige, dass ich der Verkäufer bin. Die beiden krümmen sich vor lachen. Ein Mzungu, ein Weißer, der auf der Straße Schuhe verkauft! Na toll. Ich versuche ernst und bei der Sache zu bleiben. „15.000 Shilling ist der Preis, was meint ihr?“. Die beiden hören auf zu lachen. „15.000? Wohl kaum, das kosten die vielleicht bei euch in Europa,“ sagt die eine. „Probier doch erst mal an,“ erwidere ich.

Sie schlüpft aus ihrem Schuh und ich falle, wie ich das schon zigmal bei den Jungs gesehen habe, auf die Knie, helfe ihr in die Sandale zu schlüpfen. Die anderen Schuhverkäufer beobachten amüsiert die ganze Szene. Der Schuh passt. „Was sagst du?“ frage ich. Betont missmutig, wie die Straßenkundschaft sich eben gibt, erwidert sie „Na, nicht schlecht. Aber der Preis...“. „Was ist dein Preis?“ fordere ich sie heraus. „10.000 Shilling“. Ich überlege. „Hm, nee, da ist kein Gewinn für mich drinnen. Für 10.000 Shilling kaufe ich sie ja selbst ein.“
Das war mein entscheidender Fehler. Denn nun weiß sie, welche Gewinnspanne ich draufgerechnet habe. Sie nörgelt und nörgelt und gibt mir schließlich 12.000 Shilling für das Paar. Ihre Freundin aber will jetzt auch ein Paar Schuhe von diesem komischen Weißen kaufen. So mache ich bei diesem meinem ersten Verkauf auf der Straße lächerliche 4.000 Shilling Gewinn.

Als die beiden abgezogen sind, lachen K. und die anderen Schuhverkäufer sich schlapp. Sie wollen alle mit mir einschlagen und rufen mir „uza hapo, Alexi!“ und „fanya kazi hapo!“ zu, also „verkauf mal was!“ und „mach mal deine Arbeit!“, Sprüche, mit denen sie sich normalerweise gegenseitig anstacheln. Nur glaube ich nicht, dass einer von ihnen nach einem Verkaufsgespräch ebenso nervös und adrenalingeladen wäre, wie ich nach meinem ersten. Voller Stolz gehe ich zu meinem Kumpel A. und gebe ihm seinen Anteil von unserem gemeinsamen Geschäft.
Ich bin beeindruckt von der Tatsache, dass K. und die anderen Verkäufer nicht eingesprungen sind, sondern dass sie mich das ganz selbstverständlich haben selbst machen lassen. Sie nehmen mich für voll.

Nach dem Verkauf kommt noch der eine oder andere Verkäufer zu mir, und gibt mir Manöverkritik. Ich habe noch viel zu lernen, merke ich. „Fang mit einem hohen Preis an,“ berät mich K. Die Kundinnen wollen nicht, dass man sie für arm hält, und sie wollen auch keine billigen, also gefälschten oder minderwertigen Schuhe angeboten bekommen. Das würde sie beleidigen. „Ich hätte bei 25.000 TSh angefangen,“ so K. Nun, das habe ich mich nicht getraut. „Und unter keinen Umständen verrätst du, für wie viel du sie selbst eingekauft hast,“ so K. weiter. Damit nimmt man sich die Chance einen hohen Gewinn heraus zu schinden.

Ich merke, wie sich mein Verhältnis zu den Jungs geändert hat, seit dieser Episode vor einigen Tagen. Sie wissen jetzt, dass ich es ernst meine. Und ich selber fühle mich, als wäre ich nun in dieser Welt des Straßenhandels angekommen. Die Teilnahme, das eigenhändige Mitmachen, wird mir klar, ist ein wichtiges Werkzeug, wenn ich verstehen will, wie sich das Leben rund um die kleinen Geschäfte auf der Straße anfühlt.

Neues von der Strassenecke.

Feldtagebuch von Alexis Malefakis... und was sonst noch so ist.

karibu!

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