Sonntag, 1. Mai 2011

Für eine Tasse voll Hype: Der Wunderheiler von Loliondo

Er hatte einen Traum. Und das nicht nur einmal. Seit 1991 instruiert Gott höchstpersönlich Ambilikile Mwasapila in seinen Träumen, Menschen zu heilen. Und zwar mit einem Extrakt aus einer Baumwurzeln, die er ihm des Nachts verraten hat. Seit dem 26. August 2010 folgt Mwasapila dem Ruf Gottes. Im kleinen Dorf Samunge im Distrikt Loliondo, Arusha-Region (Nordtansania) ist seither die Hölle los.

Die Wurzeln von Carissa Edulis wurden in vergangenen Zeiten als Pfeilgift verwendet. Der 76-jährige „Babu“ (Großvater), wie man den pensionierten Priester Mwasapila seit Beginn seiner Prominenz nennt, heilt damit Krebs, Epilepsie, Herpes, Diabetes, Leberbeschwerden, Bluthochdruck und, ja man höre und staune, Aids. Dazu kocht er etwas aus 3 Kg Wurzeln auf 60 Liter Wasser seinen „Wundertrank“, den er in Tassen zu je 500 TSh (25 Cent) an die Pilger ausschenkt. Hunderttausende Menschen haben sich bereits ihre Tasse abgeholt, und dabei ein mittleres bis schweres Verkehrschaos auf den Straßen im ganzen Distrikt ausgelöst. Bis zu acht Tagen steht der durchschnittliche Loliondo-Pilger im Stau, das heißt zudem, er kampiert im Busch und verzichtet auf Toiletten und Wasser.

Selbst der Präsident des Landes, Jakaya Kikwete, so sagt man, habe bereits Babu besucht. Doch äußern sich auch viele kritische Stimmen, gerade was den Anspruch angeht, damit Aids behandeln zu können. Babus Empfehlung, nach dem Genuss seiner Tasse keine weiteren Medikamente mehr einzunehmen, kommt einer gesundheitspolitischen Katastrophe gleich. Erste medizinische Untersuchungen seines „Lebenstranks“ haben ergeben, dass die Dosierung des pflanzlichen Gifts so gering ist, dass zumindest keine körperlichen Schäden zu erwarten sind. Ebenso wurden viele der positiven Wirkungen bestätigt. Was die Heilung von Aids allerdings angeht, gibt es keinerlei Belege. Dies hielt aber tansanische Tageszeitungen nicht davon ab, die „offizielle Absolution“ für Babus Wunderheilung allesamt als Aufmacher ihrer Titelseiten zu bringen. Die Massenwirksamkeit einer solchen Meldung lässt sich kaum zu groß einschätzen.

Auch viele Kirchenvertreter äußern sich kritisch. Vor allem was Babus Anspruch angeht, eine Eingebung von Gott erhalten zu haben, um ein traditionelles und damit heidnisches Heilmittel einzusetzen. Auch hier kann man eine politische Logik sehen. Schließlich „fangen“ viele der Priester hier ihre Schäfchen mit dem Versprechen, sie von ihren Leiden zu erlösen. Dazu gehören, an vorderster Stelle, gesundheitliche Beschwerden, denn Krankenhäuser und Ärzte sind hier etwas für Leute, die Geld haben (also für kaum jemanden). In der Kirche reicht oft die Spende von ein paar Tausend Shilling, um seine Krankheiten vor Gott darlegen zu dürfen. Da kommt diese Massenhysterie Richtung Loliondo einem Preis-Dumping auf dem religiösen Markt gleich, wogegen sich die einstigen Kollegen von Babu verständlicherweise wehren.

"Babus Cure" heilt also auf der Basis von zwei Logiken: Einerseits die Logik der traditionellen Medizin, "miti shamba" genannt, also "Bäume vom Feld". Denn dass die Wurzel dieses Baumes eine wirksame Substanz enthält, ist allen seit langer Zeit bewusst. Andererseits betont Babu immer wieder, dass es Gott ist, der durch ihn heilt, und wer seine Tasse von jemand anderem als Babu selbst ausgehändigt bekommt, der warte vergeblich auf irgendeinen Effekt. Denn längst haben sich Nachahmer gefunden, die ihre eigene Mixtur zusammenbrauen.

Bereits 52 Menschen sind auf dem Weg nach Loliondo oder auf dem Weg nach Hause gestorben. Zum Teil wurden sie von ihren Angehörigen aus den Krankenhäusern geholt, um sich bei Babu ihre Heilung abzuholen. Die Sanitären Umstände im kleinen Dorf sind derart katastrophal, dass die Regierung auf Wunsch des Heilers selbst zuletzt sämtliche Zufahrtsstraßen gesperrt hat (Danke an Julia E. für den Hinweis).

Ich selber erfahre den Loliondo-Effekt hier in Dar fast täglich. Wenn es einmal in der Rushhour stundenlang nicht vorwärtsgeht, und die verschwitzen und zusammengepferchten Fahrgäste im Daladala-Minibus die Augen zum Himmel wenden und auf ein Ende des Staus hoffen, heißt es nicht selten: „Zustände wie in Loliondo“.



loliondo


Babu@work









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karibu!

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