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Manche sagen, wenn wir mit anderen Menschen kommunizieren werden wir zu Schauspielern: Wir haben ein einstudiertes Repertoire an Gestik und Mimik das unser Gegenüber deuten kann, weil es zur gleichen Theatertruppe gehört und mit den gleichen Gesten und Minen auf unsere Darstellung reagiert. Wir teilen dieses Repertoire, weil wir alle irgendwie zur gleichen „Kultur“ gehören, oder so ungefähr wissen, welche Gesten und Minen in der „Kultur“ unseres Gesprächspartners als akzeptabel gelten.

Als Feldforscher... ein durch und durch bescheuertes Wort, an dessen statt ich außerdem ständig „Feldfroscher“ in die Tastatur wurstfingere, weshalb ich es fortan durch das schönere Wort „Feldfrosch“ ersetzen werde. Der Feldfrosch also performt auch, vor zwei Publika noch dazu: Einmal natürlich stehen wir auf der Bühne der Wissenschaft, wo wir uns und unsere Leistungen vor den Kollegen und Kolleginnen zumeist schriftlich Aufführen. Auch hier gelten kulturelle Konventionen, die in anderen „Kulturen“ nicht unbedingt bekannt oder praktikabel sind.

Noch davor aber, man sollte es nicht vergessen, performen wir uns vor den Menschen denen wir im Alltag unserer Forschung begegnen, und denen wir erklären wer wir sind und was wir von ihnen wollen. Diese Aufführung findet zunächst ohne Probe statt, aus dem Stegreif, und ein anerkanntes Repertoire an Gesten und Minen dafür gibt es eher nicht. Der Feldfrosch quakt erstmal nach dem Prinzip trial-and-error und hofft auf den berühmten „informed consent“: auf das Verständnis der Menschen für das was er von ihnen will, und dass sie darüber hinaus auch noch damit einverstanden sind, dass der Feldfrosch sich bis auf weiteres in alles was sie tun und sagen einmischt, und am Ende all das in ein dickes Buch schreibt um seine Karriere voranzutreiben, wovon die Menschen vor Ort dann wiederum herzlich wenig haben. Du siehst also, liebe Leserin, es ist ein schmaler Grat, auf dem da ins „Feld“ gehüpft wird, und über vielen lässt sich streiten.

Wenn es schon kein allgemein bekanntes Repertoire für diesen „Feldeinstieg“ gibt, so gibt es doch anerkannte Requisiten dafür: Notizblock und das Aufnahmegerät zeigen allen Menschen im „Feld“ an, dass dieser Frosch gekommen ist, um „Daten“ für die Analyse mit nach Hause zu nehmen. Den Notizblock aus der Tasche zu ziehen, während man mit einem neuen Freund an der Straßenecke sitzt und dieser einem gerade intime Details aus seinem privaten Leben offenbart, kommt praktisch einer Entzauberung des Alltäglichen gleich: Gerade waren wir noch Freunde, ganz normal, die sich Geschichten aus ihrem Leben anvertrauen. Auf einmal heißt es „Vorhang auf für das Theater der Feldforschung“: „Was dagegen wenn ich mir das eben notiere, wie dir damals deine Frau das Herz gebrochen hat?“ Die Beziehungen zu den Menschen im „Feld“ sind eben von doppelter Natur, einerseits freundschaftlich, zum anderen aber eben auch professionell (zumindest für den Feldfrosch). Die Requisiten der Feldforschung markieren diesen Übergang, den Szenenwechsel. An welchem Punkt aber ist eine Beziehung zu einem neuen Freund stabil genug, um eine solche Umdeutung zu überleben?

Hier besteht kein Zweifel: Der Feldfrosch mit Aufnahmegerät ist gekommen um "Daten" mit nach Hause zu nehmen.
Auf der Bühne der Forschung: Das Aufnahmgerät aus
der Tasche gezogen.
Foto © Link Reuben 2011


Ich habe mir diese Frage oft gestellt, als ich anfing, mit den Straßenhändlern abzuhängen. Und ich muss ehrlich sagen: Oft hatte ich Angst, dass ich zu neugierig erscheine und man keine Lust mehr hat mit mir zu reden, wenn das allgemeine Geschnatter und Gequake am Maskani dann immer gleich von diesem komischen weißen Frosch aufgeschrieben wird. Also habe ich es oft einfach bleiben lassen. Wobei, das stimmt nicht ganz. In manchen Fällen habe ich durchaus Notizen gemacht. Aber dabei habe ich eine Requisite der lokalen Bühne verwendet.

Denn wir alle spielen nicht nur Theater, wir alle tippen auch ständig auf unserem Mobiltelefon herum. Auch wenn sie meistens kein Geld haben um sich Telefonguthaben zu kaufen, so haben doch fast alle meiner Freunde ein Mobiltelefon, wie schrottig auch immer. Wenn die Nachmittagsstunden an der Straßenecke lang wurden und keine Kundinnen vorbeikamen, fand ich immer einige Jungs die gelangweilt auf die Displays ihrer Telefone starrten, Musik auf den eingebauten MP3-Playern hörend, Fotos von der Kamera des Telefons ansehend, oder Kurzmitteilungen lesend und schreibend. Manches Mal haben wir uns über verschiedene Typen von Telefonen oder die Vorzüge von Originalen (wie meinem) gegenüber chinesischen Imitaten (wie die meiner Freunde) unterhalten. Ich wurde um Übersetzung gebeten, wenn einer meiner Freunde eine englischsprachige Werbe-Mitteilung seines Anbieters erhielt, oder er Probleme mit dem Menü seines Telefons hatte. Zu meinem „Feldeinstieg“ gehörte auch das Austauschen von Telefonnummern und das Kommunizieren per Anruf oder Kurzmitteilung.

Wenn also mein Kopf voll war von Eindrücken und Informationen, gab mir das Telefon eine Möglichkeit, schnell ein paar Dinge in die „Memo“-Funktion zu tippen, ohne dabei als der aufdringliche Eindringling zu erscheinen, der ich ja eigentlich bin. Ich zog also den Vorhang in diesen Situationen nicht zur Seite, sondern beließ einen Teil der Feldforschung unsichtbar hinter den Kulissen und den Requisiten. Nach einem Gespräch mit einem meiner Freunde konnte ich mich hinsetzen und rasch notieren „Ms vrhrtt schwstr rshd, glch drf“. Aber was bitte sollte das heißen?

Genauso überrascht war ich, wenn mich eine Kurzmitteilung eines meiner Freunde erreichte, etwa wie „vp m2 wng? cjui 2ktane lni“. Weil die Zeichenanzahl für Mitteilungen begrenzt ist, haben sich bestimmte Konventionen der Abkürzung für Kurzmitteilungen herausgebildet. Vokale werden grundsätzlich ausgelassen, und die Kiswahili Vorsilben „tu-“ („wir“) oder „si-“ („ich...nicht“) durch die englischsprachigen Homophone „2“ und „c“ ersetzt. Die Kurzmitteilung bedeutete also „vipi mtu wangu? sijui tukutane lini“, zu Deutsch „was geht ab mann? ich weiß nicht wann wir uns treffen sollen“. Diese lokalen Konventionen der Kommunikation habe ich mir angeeignet um die zehn mal 70 Zeichen der „Memo“-Funktion meines Samsung E1120 möglichst erschöpfend für kurze Notizen im „Feld“ zu nutzen. Obiges Kryptogramm heißt also tatsächlich „Mussa ist verheiratet mit der Schwester von Rashid, sie kommen aus dem gleichen Dorf“.

„Informed consent“ habe ich für diese Praxis der Feldforschung nicht erfragt, ich bekenne mich schuldig (Abgesehen davon aber wissen selbstverständlich alle am Maskani über meine Forschungsabsichten Bescheid). Mein Telefon auf diese Weise umzunutzen erlaubte mir aber, meine körperliche Performance an die lokalen Gegebenheiten anzupassen: Zumindest für einige Momente kam der Feldfrosch zur Ruhe und tat etwas völlig „normales“, nämlich rumhängen und in sein Telefon starren.

Das alles hat mir in den ersten Wochen den Einstieg erleichtert. Die kleinen Informationen, die ich so sammelte, haben mich zu einem besseren Klatschmaul gemacht, weil ich mir nach und nach mehr merken konnte. Ich konnte also immer mehr an den Gesprächen teilnehmen. Später übrigens habe ich es dann doch vorgezogen die anerkannten Requisiten hervor zu kramen und ins gleißende Rampenlicht der Feldforschung zu springen: Quak quak.

Neues von der Strassenecke.

Feldtagebuch von Alexis Malefakis... und was sonst noch so ist.

karibu!

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