Die neue Schwägerin

Die beiden haben sich am Maskani kennen gelernt, an unserer „Straßenecke“. Sie hat bei den „Mamantilie“, den kochenden „Mamas“ im Hinterhof gearbeitet, er hat dort seine Schuhe für die Rotation aufpoliert. Sie haben ein Auge aufeinander geworfen und er hat ihr den Hof gemacht. Am Sonntag hat B.M. endlich seine Braut nach Hause geholt.

Der junge Sänger legt eine Leidenschaft in seine glasklare Stimme, die mir die Tränen in die Augen treibt. Ein alter Mann im weißen Kaftan erbebt im Rhythmus der Trommeln. Ich sitze mit den anderen männlichen Hochzeitsgästen auf der Matte des Bräutigams. Gemeinsam mit etwa 30 Freunden und Familienangehörigen sind wir von Mbagala ins entfernte Mbezi gefahren, um die Braut unseres Bruders abzuholen und sie in ihr neues Zuhause zu bringen.

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Da möchte man zum Moslem werden:
Schade dass man die Musik auf dem Foto nicht hört


Begonnen hat unsere Reise um 9 Uhr morgens im südlichen Stadtteil Mbagala. Bei gerösteten Süßkartoffeln und gewürztem Tee warten wir vor dem Haus des Bräutigams auf die weiteren Teilnehmer. B.M. ist einer meiner Freunde von der „Straßenecke“, und ich habe seine Einladung, bei seinem Harusi, seiner Hochzeit Teil der Partei des Bräutigams zu sein, als Ehre empfunden und selbstverständlich angenommen. Im Wesentlichen besteht die Hochzeitszeremonie darin, dass wir den Bräutigam begleiten, wenn er im Haus ihrer Eltern seine Braut abholt und sie in sein Heim bringt. Gegen 11 Uhr haben sich alle eingefunden, und es wird beratschlagt, wie wir denn nun ins entlegene Mbezi im Osten Daressalams kommen. Wir beschließen, einen der üblichen Minibusse, Daladala genannt, zu chartern, da wir sonst mit Stau und Umsteigen Gefahr laufen würden, die Zeremonie um viele Stunden zu verzögern. Nach einigem Hin- und Her setzen wir uns schließlich in Bewegung zum Daladala-Stand, wo wir etwa eine Stunde lang mit unterschiedlichen Fahrern verhandeln, bis wir schließlich einen finden, der sich auf unser Angebot einlässt. Der Bräutigam und sein älterer Bruder, als Vertreter seiner Familie, setzen sich mit einem Privatwagen in Bewegung.

Nach zwei Stunden kommen wir im Haus der Braut an. Zum Jubel der Frauen zieht unser Trupp in den Hof ein. Auf Matten haben sich die Verwandten, Freunde und Nachbarn der Braut niedergelassen, um der Zeremonie beizuwohnen, Männer und Frauen getrennt. In einer Ecke des Hofs sitzen an die dreißig Kinder mit Trommeln und Rasseln bewaffnet, in ihrer Mitte ein junger Kerl, der herzzerreisende Lobpreisungen des einzigen und wahren Gottes anstimmt. Ich ziehe meine Schuhe aus und setzte mich, gemeinsam mit den anderen Männern, auf der Matte in die Runde des Bräutigams. Die Braut, indessen, ist nirgends zu sehen.

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Warten auf die Braut: B.M. im Kreis seiner Jungs

Die Musik verklingt und der Imam betritt die bemattete Bühne. Durch ein Mikrofon verstärkt erklärt er B.M. und allen Versammelten, dass die Ehe kein Spaziergang im Park ist. Er zählt die üblichen Laster auf, mit denen Ehemänner den Frieden ihres Hauses gefährden: Bars, leichte Mädchen, Glücksspiel. Er rät B.M. vollkommen schlüssig von alledem ab, kommt dann aber relativ rasch zum Ende seiner Belehrungen, da ja, wie er feststellt, das Brautpaar eine weite Heimreise vor sich habe, und der Verkehr in Daressalam dieser Tage eine Plage sei. Er fragt den Bräutigam drei Mal, ob er bereit sei die Verantwortung für seine Frau zu übernehmen. Nachdem B.M. die Ehe annimmt und man gemeinsamen gebetet hat, erheben wir uns und begleitet den Bräutigam unter dem Jubel der Frauen ins Haus der Braut. Wir finden sie unter einem Schleier versteckt auf der Kante ihres Bettes sitzend. Sie blickt zu Boden. Während wir draußen saßen, erfahre ich von meinem Freund H., war der Imam mit dem Bruder des Bräutigams bei der Braut, um ihr ebenfalls drei Mal die Schicksalsfrage zu stellen. B.M. setzt sich neben sie. Unter dem lautstarken Ansporn seiner Freunde nimmt er ihr den Schleier ab, steckt er ihr den Ehering an und küsst sie schüchtern auf die Wange.

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Die Ehe kein Ponyhof: Wir lauschen den Worten des Imam

Die junge Frau sieht nicht sehr glücklich aus, aber ich lasse mir versichern, dass das von ihr erwartet wird. Die Hochzeit ist traditionell eine Performance, und sie gibt die Keusche, die Schüchterne. Stolz sitzt B.M. neben seiner hübschen Braut, und er kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Ich bin beeindruckt und glücklich, so tief in die privaten Angelegenheiten meiner Freunde mitgenommen zu werden, und Teil dieses wichtigen Moments im Leben von B.M. zu sein. Mit meiner Kamera bewaffnet werde ich bei jedem Schritt der Zeremonie in die erste Reihe gedrängt, um alles festzuhalten. Wir verlassen das Haus und lassen uns wieder auf den Matten nieder, um gemeinsam zu Essen. Ich bin etwas von der allgemeinen Hektik und fehlenden Feierlichkeit überrascht, denn schon nach wenigen Minuten beginnen meine Freunde sich die Hände zu waschen und bewegen sich wieder in Richtung unseres gemieteten Busses.

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Da freut sich einer, und eine nicht? B.M. und seine Braut

So bringen wir die traditionsgemäß traurig dreinblickende Braut vom Haus ihrer Eltern in ihr neues Leben an der Seite von B.M. in Mbagala. Zwei Stunden fahren wir wieder quer durch die Stadt. Der ganze Bus in Aufruhr, ein Lied nach dem anderen wird geschmettert, mehr gegrölt als gesungen, zum Klatschen der dreißig Gratulanten. Mein Freund P., den ich von der Straße als schweigsamen und eher zurückhaltenden Mann kenne, unterhält die gesamte Gesellschaft und treibt uns alle an, bis seine eigene Stimme brüchig wird. Als wir wieder in Mbagala ankommen, erfahren wir, dass der Privatwagen, mit dem das Brautpaar gefahren ist, unterwegs von der Polizei konfisziert wurde. Die Steuerplakette war abgelaufen. Der ältere Bruder bittet die Hochzeitsgesellschaft um eine Spende, um das herannahende Taxi für die Brautleute zu bezahlen. Nachdem die Gäste zögern – kaum einer hat auch nur 1000 Schilling in der Tasche – werde ich meiner Rolle als reicher Weißer gerecht und bezahle die 10.000 Schilling.

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Wir haben eine neue Schwägerin: Einzug in Mbagala

Als sie uns schließlich erreichen übernimmt wieder P. die Führung der Truppe. Er nimmt seine „shemeji“, seine Schwägerin bei der Hand, und stimmt einen Chor an. „Tumempata, shemeji yetu“, wir haben eine neue Schwägerin. Da man sich in Tansania, unabhängig davon, ob man wirklich miteinander verwandt ist, höflicherweise mit Bruder und Schwester, Onkel oder Tante, Vater oder Mutter anspricht, ist die Ehefrau unseres Bruders B.M. logischerweise unser aller Schwägerin. Wir ziehen durch die Straße und drängen uns in das Zimmer der Bräutigams, wo er sich mit seiner neuen Frau wieder auf der Bettkante niederlässt. Dort bleiben die beiden sitzen, während wir uns wieder nach draußen begeben, um ein weiteres gemeinsames Mahl einzunehmen. Als ich mich nach einiger Zeit verabschieden will, finde ich die beiden immer noch auf dem Bett sitzend. Ich verabschiede mich von B.M. und meiner neuen Schwägerin. Ich wünsche den beiden alles Gute für ihre Ehe.

Neues von der Strassenecke.

Feldtagebuch von Alexis Malefakis... und was sonst noch so ist.

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