Notizen von der Strassenecke 1

Seit ca. zwei Wochen habe ich mich in „meinem Feld“ installiert. Im wesentlichen besteht mein Tagewerk nun darin, an einer bestimmten Straßenecke in downtown Daressalam abzuhängen, und das zu tun, was meine Gewährsleute tun: rumsitzen, warten, Geschichten erzählen (kiswahili: kupiga stori, wörtlich „auf die Geschichte hauen“), Zigaretten rauchen, wenn die Zigarettenverkäufer vorbeikommen, Kaffee trinken, wenn die Kaffeeverkäufer vorbeikommen, Kunden willkommen heißen, wenn Kunden vorbeikommen...

Es ist für mich noch eine Umstellung, ganze Tage lang herumzuhängen. Manchmal überkommt mich der Impuls aufzustehen, und einfach eine Runde spazieren zu gehen. Zu Beginn hab ich ihm noch nachgegeben, aber mehr und mehr schaffe ich es, auf meinem Hintern sitzen zu bleiben und auch peinliche Situationen auszusitzen, in denen das Gespräch zum Stillstand kommt, oder in denen ich wegen akuter Müdigkeit und aufgrund totaler Überhitzung plötzlich nicht mehr den Gesprächen folgen kann, weil meine Kiswahilikenntnisse plötzlich in einem tiefen schwarzen Loch verschwinden.
Da ich durch vorherige Aufenthalte bereits zwei oder drei Leute an diesem Maskani (kiswahili für „Treffpunkt“ oder einen Ort, an dem sich das soziale Leben einer bestimmten Gruppe abspielt, die dort täglich abhängt) recht gut kenne, fällt es mir leicht, neue Kontakte zu knüpfen. Man weiß bereits, dass ich ein Uni-Mensch bin, der ein Buch über das Leben auf der Straße schreiben will. Meine Anwesenheit trägt zudem zur allgemeinen Belustigung bei, und bietet willkommene Abwechslung. Ich bemühe mich, meine Aufmerksamkeit möglichst gleichmäßig unter den verschiedenen Fraktionen von Verkäufern aufzuteilen. Die Fraktionen lassen sich aufgrund der jeweils von ihnen angebotenen Waren unterscheiden. Aus dem Augenwinkel bemerke ich, dass durchaus beobachtet wird, mit wem ich gerade herumsitze und eine Zigarette teile.

Mit einem Klassiker der Stadtforschung gesprochen: „Manchmal überlegte ich, ob diese simple Herumhängen an der Straßenecke ein hinreichend aktiver Vorgang war, um des Begriffs „Forschung“ würdig zu sein. Vielleicht sollte ich diesen Männern Fragen stellen.“ (William Foote Whyte (1996): Street Corner Society, S. 304). Doch soweit bin ich noch nicht wirklich. Die Informationen tröpfeln bislang, ich habe das Gefühl, ein Mosaik zu beginnen aus lauter kleinsten Steinchen. Bevor ich mit biographischen und narrativen Interviews beginne, möchte ich noch mehr informelle Gespräche führen, durch die ich die Leute besser kennen lerne – und vor allem sie mich.

Zeit ist ein wichtiger Faktor, habe ich das Gefühl.

Kahawa-am-Maskani

Kaffee trinken am Maskani, Foto (c) Link Reuben (2010)

Neues von der Strassenecke.

Feldtagebuch von Alexis Malefakis... und was sonst noch so ist.

karibu!

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