Donnerstag, 5. April 2012

Unschuld und Öltanker: Was Geld kaufen kann

Unrecht hat, wer behauptet, Ämtergänge seien etwas für Weicheier. Keine Geduld hat, wer nach nur vier Stunden denkt, seine Nummer werde nun wirklich nicht mehr aufgerufen. Glück hat, wer wichtige Leute an richtigen Stellen kennt.

Ich zum Beispiel kenne jemanden, der jemanden kennt, der mir die Telefonnummer von jemandem geben konnte, so dass die Beantragung meiner Aufenthaltserlaubnis mich nur läppische drei Tage auf dem „Amt“ gekostet hat. Andere verbringen fast ihr gesamtes Erwachsenenleben in Warteräumen, am kurzen Ende langer Hebel, die glänzende Klinge der behördlichen Willkür stets an der Kehle ihrer Geduld. Gründlich ist sie, die tansanische Bürokratie. Und korrupt auch, aber das, lieber Leser, zwitschern die Vöglein bereits von den Dächern.

Ein ganzer Berufsstand hat sich in Daressalam rund um die Tücken seines Amtswesens formiert. Wer also einen tansanischen Pass braucht, dem sei hiermit geraten, jemanden zu bezahlen, der die nötigen Papiere, Passbilder und Schmiergelder einsammelt, um sich anschließend an seinerstatt in den Sumpf zu begeben. Als informeller Zubringer, sozusagen, zum normalen formalen Verwaltungswahnsinn. Als Geburtshelfer, sozusagen, für Dokumentschwangere. Gleiches gilt für Autozulassungen, Steuerformalitäten, Geschäftspapiere, Geburts- und Sterbeurkunden.

„Mishentaun“, so nennt man die jungen Männer, die in den Hinterzimmern von Einwohnermelde- und Finanzämtern die Klinken putzen. Die Stadt ist ihre Mission (engl. mission-town – check?). Einer von ihnen ist J. Mit Bügelfalte an der Hose, makellosem weißen Hemd und auf Hochglanz polierter Glatze treffe ich ihn jeden Tag in seinem Büro. Das heißt, er hängt an der gleichen Straßenecke ab, wie ich mit meinen Schuhverkäufer-Freunden. Sein wichtigstes Werkzeug ist sein Mobiltelefon, mit dem er Aufträge entgegennimmt, Sekretärinnen von Sekretärinnen anruft, per Telefonguthaben Schmiergelder verschickt.

Ergibt sich die Gelegenheit, und es kommt ein geschäftig wirkender Chinese um die Ecke gebogen, springt er auch mal auf und zieht eine kleine Plastikschatulle mit Edelsteinen, Tanzaniten, aus der Hose. Meines Wissens mindestens Fälschungen, schlimmstenfalls Diebesgut. Ein anderer meiner „Meshentaun“-Bekannten hat sich an diesen blau durchscheinenden Steinen böse die Finger verbrannt. Einer seiner Kunden wurde von der Polizei gefilzt, und es kam heraus, dass die Steine aus einem Raubüberfall mit Todesfolge stammten. Besagter Bekannter wurde des Mordes angeklagt, war er doch im Besitz der Beute gewesen. Nach elenden Monaten im Gefängnis konnte er sich schließlich per Schmiergeld die Unschuld erkaufen. Ich gehe davon aus, dass er mit dem Raub nichts zu tun, sondern einfach nur Riesenpech hatte. Aber sich von Mordanschuldigungen freikaufen?

„Das hier ist Daressalam,“ sagt mir J., als wir die Geschichte diskutieren. „Ob du einen Freispruch oder einen Öltanker kaufen willst, ich kann dir alles besorgen.“ Für´s erste wäre ich mit einem Schluck Kaffee zufrieden. Wir rufen einen der Jungs zu uns, die in ihren Aluminium-Kannen die schwappende dunkle Brühe durch die Straßen tragen. Während wir an unseren kleinen chinesischen Tässchen nippen, staune ich einmal mehr über die Geschichten, die diese Stadt so hergibt. Gut ist, dass es dieses Internetdings gibt, und auch gut ist dieses Blogdings. Aber noch besser finde ich, dass ich meinen Papierkram für die nächste Zeit erledigt habe.

Neues von der Strassenecke.

Feldtagebuch von Alexis Malefakis... und was sonst noch so ist.

karibu!

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