Samstag, 16. April 2011

Zähes Fleisch

Das Klima in Daressalam vereint in der Trockenzeit zwei Gegensätze: Einerseits ist es so schwül, dass die Socken in der Schublade verschimmeln; gleichzeitig sind die Straßen so staubtrocken wie ein Gang aufs Finanzamt am Montagmorgen. Alles, ich eingeschlossen, ist mit einem gar nicht mal so feinen schwarzen Staubfilm überzogen. Man legt seine kulturell geprägten Vorstellungen von Sauberkeit rasch beiseite und gibt sich seinem schmierig-klebrigen Schicksal hin.
Ganz anders dagegen präsentiert sich die Stadt in der Regenzeit, die jetzt im April beginnt.

Ich stehe mit A. zwischen den Auslagen seines kleinen Schmuck-Ladens, den er in einem Hausdurchgang aufgebaut hat. Wir haben die Armreifen, Halsanhänger und Holzschnitzereien mit einer Plastikplane zugedeckt, und uns gleich mit darunter gestellt. Wie aus Kübeln schüttet der Himmel den Regen über der Stadt aus: Er stürzt auf die Blechdächer, peitscht von dort gegen die Hauswände und schleudert den Dreck der Strasse von unten gegen die Menschen. Seit einer Stunde haben wir uns so an die Hauswand gekauert und versuchen nicht komplett durchnässt zu werden.

Die Schuhverkäufer vorne auf der Straße haben ihre Ware und sich selbst unter das Vordach eines Buchladens gerettet. Für sie ist die Regenzeit eine harte Zeit. Ihr minimales Einkommen hängt ja davon ab, dass sie in endlosen Runden, die sie durch die Straßen ziehen, ihr Angebot unter die Passanten bringen. Aber wenn es so regnet wie jetzt, sind keine Menschen auf der Straße, und die paar, die sich mit ihnen unter das Vordach gestellt haben, sind nicht in der Stimmung, sich ein Paar Schuhe anzusehen. „Nyama ngumu“, sagen sie mir, „zähes Fleisch“. Ihre erste Sorge gilt dem Fahrtgeld, um wenigstens am Abend mit dem Daladala-Minibus wieder zurück nach „Uswahilini“, also in das Wohnviertel zu gelangen. Erstarrte Gesichter blicken in den dichten Vorhang aus Wasser vor ihnen. Ich merke in diesen Tagen, dass die Stimmung umschlägt. Bisher war das ständige Feixen und Späße machen hier am Maskani der Tagesinhalt, so dass ich oft das Gefühl hatte, im Wesentlichen mit Freunden herumzuhängen – von den gebrauchten Schuhen, die da vor uns herumstanden, ließen wir uns dabei nicht beirren. Jetzt macht sich doch bei dem einen oder anderen eine bedrückte Stimmung breit. Nicht wenige müssen mit dem wenigen Geld, dass sie erwirtschaften Kinder durchfüttern. Wie sie das schaffen – ich habe keine Ahnung. In den Regenpausen schnappen sie sich ihre Schuhe, und gehen damit in die „Rotation“. Mir bleibt nichts übrig, als ihnen Glück zu wünschen.

Ich kann es kaum glauben, aber der Regenguss zieht noch einmal so richtig an. Um A. und mich herum brüllt das Wasser. „Das ist jetzt Regen für 5000,“ sagt A. Ich verstehe nicht. „Wie, für 5000?“. „Naja,“ antwortet er, „vorher hat es für 2000 Schilling geregnet, dann für 3000 Schilling, aber das hier, das ist für 5000 Schilling.“ Ich verstehe. „Da hatte wohl jemand kein Wechselgeld.“ Ich muss schmunzeln und fingere in meiner Hosentasche herum, ob ich nicht ein paar Münzen finde.

Neues von der Strassenecke.

Feldtagebuch von Alexis Malefakis... und was sonst noch so ist.

karibu!

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